Freitag, 11. Juni 2010

Wietze = Boom der Massentierhaltung in Niedersachsen


In Deutschland werden zurzeit immer größere Tierhaltungen gebaut oder bestehende erweitert. Agrarfabriken mit 90.000 Schweinen, 800.000 Legehennen und 500.000 Masthühnern warten auf ihre Genehmigung oder sind bereits in Betrieb. Es wird intensiv in die Massentierhaltung investiert und Bauern werden abhängig gemacht. So bekommen sie z.B. die Kücken aus Brütereien und das Futter (meist nicht gekennzeichnetes, importiertes Gensoja) aus Südamerika.

Schweinemast-Anlage bei Argestorf
Kapazität von 1936 Mastplätzen. Ab 2000 Plätzen wäre eine öffentliche Beteiligung im Genehmigungsverfahren erforderlich.

Bruteierproduktion bei Degersen
Elterntierhaltung mit 24000 Hennen und rund 2100 Hähnen, die befruchtete Eier produzieren. Das Genehmigungsverfahren wird im „kleinen BImSch-Verfahren" durchgeführt. Das bedeutet, die Öffentlichkeit muss bei weinger als 40000 Hennen nicht beteiligt werden. Genehmigungsbehörde ist die Region Hannover. Der Bau soll möglichst im Frühjahr beginnen. Die Produktion von Bruteiern, die wöchentlich zweimal abgeholt werden, soll im Herbst anlaufen.



Diese Großmastbetriebe drängen nun in die sogenannten Gunstregionen, wo Luft und Wasser noch sauber sind, wo man die Grenzwerte (Feinstaub, Ammoniak, Abwasser, Geruch, ...) noch weitgehend einhalten kann. Das wiederum ist auch eine Gefahr für die bäuerlichen Landwirte. Denn wo ein Großmäster die Grenzwerte bereits ausgeschöpft hat, kann sich selbst ein kleinerer bäuerlicher Betrieb nicht mehr niederlassen.

In Wietze soll nun Deutschlands größter Schlachthof mit einer Kapazität von 135 Millionen Tieren pro Jahr (ca. 2,6 Millionen Schlachtungen pro Woche) entstehen. Um diesen Schlachthof der Firma Rothkötter auszulasten, bedarf es entlang dieser sog. Hähnchen-Highways um die 400 Tierfabriken mit jeweils bis zu 40.000 Masthühnern. So sind beispielsweise zwei solcher Megaställe im Landkreis Holzminden geplant.

Der Großschlachthof in Wietze wird von der Landesregierung mit mehreren Millionen Euro subventioniert. Das finanziert sich aus dem Topf der Agrarsubventionen, dem zweitgrößten Haushaltsposten, mit dem überwiegend die Massentierhaltung gefördert wird. Zudem wird der Export von Fleisch subventioniert um auf dem europäischen Markt wettbewerbsfähig zu sein. Die Produktion in den entstehenden Massentierhaltungsanlagen ist überwiegend für den Export gedacht. Freilandhaltung und ökologischen Landbau betreibende Bauern erhalten dagegen keine Subventionen und werden massiv aus dem Markt gedrängt.

Derzeit drängen drei große Konzerne auf den Markt, Wiesenhof, Rothkötter und Stolle. Sie versuchen, die Landwirte in die "Lohnmästerei" hineinzudrücken. Nach offiziellen Zahlen der Landwirtschaftskammer verbuchen 1/3 der Landwirte in der Hähnchenmast jetzt schon rote Zahlen. Massive Überkapazitäten werden befürchtet, denn die Nachfrage an Hähnchenfleisch in Deutschland ist nicht gestiegen, sondern stagniert. Der gesamte Fleischkonsum pro Kopf ging in den letzten 5 Jahren um 2 Kilo zurück.

In Regionen wie dem Emsland, in denen eine solche Massentierhaltung bereits besteht, wehren sich immer mehr Gemeinden indem sie z.B. versuchen, über Bebauungspläne (sehr kostenintensiv) den Bau dieser riesigen Mastanlagen zu verhindern oder zumindest zu erschweren, womit sie sich gegen die Landesregierung stellen, die versucht, solche Vorhaben über zweifelhafte Erlasse dennoch durchzusetzen.

So müssten Mastställe eigentlich einen Abstand von 150 Metern zu Wäldern einhalten da durch die Exkremente der Tiere in den Ställen eine hohe Konzentration von Ammoniak entsteht und entweicht. Die Landesregierung deklariert die Wälder jedoch kurzerhand zu fiktiven Wäldern (kein richtiger Wald, nur aufgeforstet u.ä.) um gesetzliche Bestimmungen zu umgehen und solche Stallbauten dennoch durchzusetzen.

Früher bekam ein bäuerlicher Betrieb eine Baugenehmigung für Ställe nur, wenn das Futter zu mehr als 50% selbst angebaut wurde. Heute muss nur noch der Besitz einer gewissen Anzahl an landwirtschaftlichen Flächen nachgewiesen werden. Auf den Feldern wird dann jedoch oftmals etwas anderes, wie z.B. Mais für Biogas, angebaut und das Futter überwiegend importiert.

Doch nicht nur Tiere und Wälder leiden unter den Großmastställen. So haben die Einwohner in der Umgebung mit dem entweichenden Geruch zu kämpfen. Bis zu 15% der Jahresstunden (das sind 55 Tage) darf es gemäß der Geruchsemissionsrichtlinie für die Anwohner "stinken". Sind es mehr als 55 Tage im Jahr, hat man als Einwohner die Möglichkeit (vorausgesetzt man kann es nachweisen), dagegen vorzugehen und Filter zu verlangen, die in der Hähnchenmast keinesfalls die Regel sind.

In der Hühnermast fallen zudem pro 40.000er Stall 4 kg Feinstaub pro Jahr an, der ungefiltert in die Umgebung entweicht. In Intensivtierhaltungsregionen wie Cloppenburg, Vechta und Emsland wurden erhöhte Raten von Atemwegserkrankungen bei Kindern statistisch nachgewiesen. Solche erheblichen Stäube und Keime sind auch für die Mitarbeiter, die in den oft hermetisch abgeschlossenen Mastställen arbeiten, als Gefahrenstoffe anerkannt.

Dieser Trend in Richtung Industrialisierung ist bei einem Großteil der Bevölkerung unerwünscht. Eine ganze Reihe von Orten in Niedersachsen (z.B. Bad Münder) hat sich bereits weitgehend erfolgreich gegen Schweine- und Hühnermastställe gewehrt. Holzminden setzt sich derweil gegen eine geplante Ziegenfabrik im Landschaftsschutzgebiet ein.

Seit 26.07.2002 ist in Deutschland der Tierschutz (für Wirbeltiere) als Staatsziel im Grundgesetz verankert. Seitdem hat sich die Situation der Tiere, vor allem der sog. "Nutztiere", nicht verbessert. Die Haltungsbedingungen in der Hähnchenmast haben sich wieder verschlechtert. 20 qcm stehen einem Huhn in einer Masthaltung mit 40.000 Hühnern gesetzlich zu. Das war einmal mehr und wurde vom Bundesrat auf Drängen des Landes Niedersachsen wieder reduziert.

Die durch Ministerpräsident Wulff nominierte Agrarministerin, Frau Grotelüschen, kommt aus der Branche. Ihrem Mann gehört der zweitgrößte „Mastputen-Brüterei und Mastputen-Zerlegungs“ Betrieb Deutschlands (Brüterei Ahlhorn). Sie arbeitete dort als Prokuristin mit. Damit sitzt die Massentierhaltungs-Lobby nun direkt im Ministerium.
Grotelüschen: „Jedes Tier, das verenden würde, stellt einen wirtschaftlichen Verlust dar. Das kann nicht in unserem Interesse sein.“ ... „Mit dem Geflügelschlachthof (in Wietze) werden Arbeitsplätze entstehen, die auch dazu führen, dass Handwerksbetriebe Arbeit bekommen und davon profitieren werden.“
Quelle: Agrarministerin verteidigt sich gegen Kritik

Ein Bericht über deutsche Schlachthäuser und Ausbeutung von Arbeitskräften aus Osteuropa


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